Nach der Geburt beginnt eine neue Zeitrechnung
Ein Kind verändert einen Menschen. Es verändert die Beziehung der Eltern zueinander, aber auch Freundschaften. Muttersein ist eine der größten Herausforderungen für eine Frau. Aber so faszinierend das Muttersein auch ist, das neue Leben mit Kind bedeutet viel Stress und Verzicht. Die gewohnte Zeiteinteilung gilt nicht mehr. Man bekommt immer mehr das Gefühl, über die eigene Zeit nicht mehr verfügen zu können. Denn ein Baby/Kleinkind zu betreuen, bedeutet die Bedürfnisse des Kindes vor die eigenen zu stellen. Ordnung, Pläne, exakte Regelmäßigkeiten im Tagesablauf gibt es nicht mehr. Übermüdung, Schlafmangel, körperliche Strapazen und seelische Berg-und-Tal-Fahrten bestimmen unseren Alltag. Deshalb gibt uns Eltern die aufopferungsvolle Aufzucht unserer Kinder das Gefühl, plötzlich belastbarer und lebenserfahrener zu sein. Wir fühlen uns weiser und weicher. Wir sind verantwortungsvoller, demütiger und vorausschauender.
Spätestens mit der Geburt des Kindes beginnt eine neue Zeitrechnung. Die beste Freundin, die einst witzig und lässig war, mutiert zur verspannten Glucke und Supermutti und vernachlässigt ihre liebsten Freundinnen. Alles zum Wohle des Kindes. Im Freundeskreis werden Babyanekdoten erzählt, man diskutiert über neue Breirezepte und die Qualität der neuen Bio-Windeln. Während man am Bio-Tee nippt, der früher entweder starker Espresso oder Champus war, unterhält man sich, als sei es das normalste der Welt, über die Klogewohnheiten des Kindes. Natürlich spricht man, wie es sich gehört, auch im Pluralis Matris: „Wir haben eine Grippe, wir haben einen neuen Zahn, wir können schon gehen.“
Windeltaschen statt Designertaschen
Die Prioritäten verschieben sich auf einmal: man trägt Ballerinas statt High Heels, Windeltaschen statt der Gucci-Clutch, plant Kindergeburtstagspartys statt Cocktailpartys. Stundenlang mit der Freundin im Kaffeehaus sitzen und über Gott und die Welt reden, um die Häuser ziehen und Nächte durchtanzen, spontane Mädels-Reisen sind nicht mehr angesagt.
Der Druck wächst
Junge Mütter setzen sich unter Druck und wollen alles perfekt machen. Dabei gerät zwangläufig vieles, was einmal wichtig war, ins Hintertreffen – so auch Freundschaften. Und als Kinderloser erkennt man irgendwann die Muster. Man verabschiedet sich mit dem Vorsatz, sich möglichst bald zu treffen und es passiert nichts. Irgendwann, wenn die Freundin mehr Erfahrung mit dem Muttersein und dem Kinder-Handling gesammelt hat, bekommt man auch eine Antwort, die man Wochen vorher versendet hat oder sogar ein Treffen. Dieses ist jedoch meist in einem kinderfreundlichen Lokal, auf einem Spielplatz oder im bei der Freundin zuhause. Und wenn man die Freundin endlich da hat, sollte man nicht naiverweise annehmen, dass sie ein Ohr für einen hat. Man sollte sich auf Gespräche über den höchst talentierten Nachwuchs und zweisprachige Erziehung einlassen. Nebenbei sollte man die krakeligen Kinderzeichnungen und die Sandburgen bewundern.
Ja, Eltern können es schon an die Spitze treiben. Und bevor ich selbst Mutter wurde, habe ich über solche Freunde nur Kopfschütteln können. Nun sitze ich da und merke, ich bin selbst eine Glucke geworden. Mein früheres Ich hätte einen Wochenendtrip nach London nie ausgeschlagen. Ein Mädelswochenende mit Hochzeitskleider probieren und Prosecco trinken. Nein, ich musste meiner lieben Freundin absagen, da mich der Gedanke an ein Wochenende ohne mein Kind verrückt gemacht hat. Ich meine, wie paradox ist das denn? Dabei bin ich überzeugt davon, dass Emily und mein Mann super zurechtgekommen wären und sie mich bestimmt weniger vermisst hätte als ich sie.
Von einer anderen Freundin musste ich mir kürzlich anhören, unsere Freundschaft wäre mir nicht wichtig, da ich nie Zeit für ein Treffen habe. Tatsache ist jedoch, Emily macht meinen Zeitplan. Verabredungen zum Lunch sind schwer einzurichten, da sie in der Zeit ihr Mittagsschläfchen hält. Bevor sie aufwacht, warten diverse To-do’s abhaket zu werden und Hausarbeit auf mich: Spülmaschine ausräumen, Wäsche waschen, saugen, Essen kochen… Mir ist es noch immer ein Rätsel, wie ein so kleiner Mensch, zehn Mal mehr schmutzige Wäsche und Geschirr produzieren kann. Und ja, das fällt täglich an. Für jemanden mit einem ausgeprägten Ordnungssinn ist dieser Zustand ein Alptraum. Man hat ständig das Gefühl, die Wohnung implodiert vor lauter Spielzeug und ungebügelter Wäsche. Und am Abend, wenn Emily im Bett ist, bin ich ein nutzloser Haufen. Als berufstätige Mama hat man immer das Gefühl, dass die Zeit mit dem Kind sehr begrenzt ist. Die Vorstellung, am Wochenende auch noch wegzufahren, bricht mir das Herz.
Freizeit ist Luxus
Tatsache ist auch: Wir verbringen irrsinnig gern Zeit mit unseren Kindern. Für euch langweilige Beschäftigungen wie Basteln, Bauklötze stapeln, Steine in den See werfen oder einfach mit meinem Mädchen essen, während sie mir von ihrem Vormittag in der Krippe erzählt, sind zu meinen Lieblingsmomenten geworden. Und es gibt so viele von diesen Glücksmomenten, die mir helfen, auch schwierige Phasen schnell zu vergessen.
Seit der Geburt von Emily ist Freizeit sehr selten geworden. Und diese seltene Zeit verbringe ich oft lieber mit mir selbst und mache all die verrückten Sachen, für die ich sonst keine Zeit habe: im Pyjama nachmittags Maniküre machen, Zeitschriften lesen, ein Vollbad nehmen und am Blog arbeiten. So tanke ich neue Energie für die nächste schlaflose Nacht, in der Emily krank ist oder schlecht träumt.
Liebe (kinderlose) Freunde, verzeiht uns unseren Schutz-Kokon und die Angst vor unserem sozialen Kalender. Er dient lediglich dazu, unseren Akku wieder aufzuladen. Gebt uns nicht auf, wir kommen bestimmt wieder. Spätestens in 18 Jahren ;-).
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