Als ich am Strand lag und meine zwei Herzmenschen beim Sandburg bauen beobachtete, kam an uns eine russische Familie vorbei, das ein kleines Mädchen dabei hatte, das mich zum Nachdenken brachte. Es hatte (zum Strandgehen!) ein rosa Tutu an, ein Glitzeroberteil und ein Glitzerkrönchen. Die Mutter der Kleinen war keine 30, hatte eine offensichtliche Brust-OP und das Gesicht dürfte auch vom Beautydoc geformt worden sein. Der Vater takelte mit Bierbauch und Glatze hinterher. Alterstechnisch hätte er der Großvater der Kleinen sein können. Unser Resort ist bei gut betuchten Osteuropäern beliebt und so hatte ich mich nach ein paar Tagen an den Anblick solcher Familienkonstellationen gewöhnt. Doch als ich das Mädchen am Strand sah, tat es mir einfach nur leid. Die Mutter war mit ihrem Aussehen beschäftigt, der Vater hing businesslike am Handy und das Mädchen gab sich ihrer rosa Glitzerwelt hin. Armes, kleines, reiches Mädchen. Was wird aus dir werden? Welche Werte wird man dir vermitteln und mitgeben? Wird auch dein Lebensziel mal sein, reich zu heiraten und dich über den Mann zu definieren?
Mag sein, dass ich mich irrte, diese blonde, junge, hübsche Frau hatte diesen älteren, weniger schönen Mann aus reiner Liebe geheiratet, dennoch kamen bei mir Gedanken der Geschlechterschubladen in der (eigenen) Erziehung auf.
Diese rosarote Glitzerwelt von Prinzessinnen wie Lillifee oder Hello Kitty ist allgegenwärtig. So sehr man sich um eine klischeefreie Erziehung bemüht, das Marketing der Industrie macht es uns vor: Rosa ist für Mädchen, blau für Jungs. Selbst beim Naschzeug wird Gendermarketing betrieben. Es gibt nun Überraschungseier für Mädchen, die natürlich rosa sind, blaue Smarties für Jungs, rosa Smarties für Mädchen.
Unlängst habe ich gelesen, dass kürzlich durchgeführte Studien gezeigt haben, dass sich die Welt noch immer männliche Führungskräfte wünscht. Was hat dies jedoch mit der rosa Welt von kleinen Mädchen zu tun? Wissenschaftler sollen herausgefunden haben, dass es eben an solchen „Erziehungsfehlern“ läge.
Zuhause werden die Kinder einfach zu klischeehaft erzogen. Und wenn ich mir mein Umfeld anschaue, wird eines klar: die Geschlechterschubladen haben wir auch in der westlichen Welt im Jahr 2016 längst nicht hinter uns gelassen. Auch wenn wir Mädchen zu Karate oder Fußball schicken und Jungs Puppen schenken, sind die Welten doch ganz klar getrennt. Jungs werden technische Sachen, Physik und Wetterphänomene erklärt, es wird geschraubt und gebaut. Jungs spielen Super-Helden und dürfen sich schmutzig machen. Die Mädchenwelt besteht aus Ponys, Schlössern und Prinzessinnen. Mädchen kümmern sich um die Outfits der Puppen, füttern und pflegen diese. Sie werden in hübsche (rosa) Kleider gesteckt und werden fürs Stillsitzen gelobt. Brav sein, heißt die Devise. Es soll ja nicht das schöne Kleid beschmutzt werden.
Mädchen werden nicht mit einer Vorliebe für rosa Tutus geboren. Sie spielen nicht von Natur aus nur mit Puppen. Wir sind diejenigen, die ihnen das mitgeben und sie so erziehen.
Sollen wir nun das rosa aus dem Mädchenzimmer verbannen, um diesen Prinzessinnenkult zu stoppen? Pinke Traumschlösser boykottieren, ebenso Prinzessinnenbücher- und Outfits? Besteht sonst die Gefahr, dass mein Mädchen keine selbstbewusste Frau wird, dadurch nicht im Stande sein wird, Karriere zu machen? Wird sie, wie es sich für eine Prinzessin gehört, nur auf ihren Prinzen warten? Wird sich meine Tochter an den schlanken, blonden Barbies messen und die Prinzessinnen aus ihrer Spielkiste als Schönheitsideal nehmen? Müssen alle emanzipierten Frauen nun die Farbe rosa hassen?
Tatsache ist, auch heute im 21. Jahrhundert verdienen Frauen weniger als Männer. Liegt es nun daran, dass wir, trotz Studium etc., im Grunde nur Prinzessinnen sein wollen? Müssen wir unsere Kinder bereits mit drei Jahren schwarz anziehen, um die Gläserne Decke zu durchbrechen?
Was ist nun die Lösung? Definitiv Gelassenheit. Ich denke, wir als Eltern können hier als Vorbilder fungieren. Unsere Kinder beobachten ständig unser Verhalten und orientieren sich daran. Dies gilt natürlich auch für die Geschlechterrollen.
Ich selbst sehe mich als eine emanzipierte Prinzessin. Ich bin eine berufstätige Mutter, habe Hobbys und versuche täglich, den Spagat zwischen Job, Familie und Freizeit zu bewältigen. Alleine dadurch wird meine Tochter weniger mit konventionellen Rollenmustern konfrontiert wie ein Kind einer Vollzeitsorgenden. Ich fühle mich aber auch als Frau. Durch Emanzipation sterben leider die Gentlemen aus. Ich mag es, wenn man(n) mir die Tür aufhält, mit dem Gepäck hilft, die Mineralwasserkiste in den Einkaufswagen hievt.
Auch wenn wir emanzipierten Frauen es gewohnt sind, Dinge selber zu erledigen und unabhängig zu sein, das gehört für mich zu einer guten Erziehung und Höflichkeit.
Wie gesagt, es ist im Grunde egal, ob unsere Mädchen rosa tragen und Prinzessinnen sein wollen (bei ihren Vätern sind sie es ohnehin, ich spreche da aus Erfahrung). Solange wir ihnen als gutes Beispiel vorangehen und die richtigen Anker setzen, sollten wir darauf vertrauen, dass sie ihren Weg gehen werden und zu starken Persönlichkeiten heranwachsen.
Wenn wir unseren Töchtern und Söhnen nur die Farben rosa und blau zeigen, bringen wir sie um ein buntes Leben.